So war das 24. Int. Kieler Blues Festival

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(CIS-intern) – Bis auf den letzten Platz war die Räucherei am vergangenen Freitag bei der Neuauflage des Blues Festivals besetzt. Unten war kaum noch ein durchkommen zum Barbereich, sodass einige Besucher irritiert fragten, ob es hier überhaupt einen Getränkeausschank gibt, außer den Punsch draußen beim Grill. Oben waren natürlich alle Sitzplätze belegt und selbst auf der Balustrade gegenüber der Bühne standen die Besucher bis in die vierte Reihe!

Los ging es mit einem äußerst gut aufgelegten Abi Wallenstein, begleitet an diesem Abend vom Schlagwerker Martin Röttger und dem noch sehr jungen Gitarristen Kalle Reuter aus Kiel. Das 77-jährige Blues Urgestein aus Hamburg begann mit einem kurzen Intro zu dem sogleich seine beiden Gäste einstimmten. Das erste Stück erinnerte am Anfang mehr an eine Blues Session, entwickelte sich dann aber zu einem großartigen Song der begeistert vom Publikum aufgenommen wurde. Martin Röttger hatte sich kurzfristig umentschieden und war vom Cajón an das Schlagzeug von Harlem Lake gewechselt, welches er freundlicherweise mitbenutzen durfte. Dadurch war aus dem geplanten Akustikset nun eine vollwertige elektrische Band entsprungen, denn zu den Eigenarten von Wallensteins Gitarrenspiel gehört, dass er mit den Daumen permanent die Basssaiten bedient, während die Finger die Melodiesaiten zupfen und er sich so mit Gitarre und Bass begleitet. Die immer wieder herausragend gespielte elektrische Lead-Gitarre von Kalle Reuter bestärkte den Eindruck, dass dort eine komplette Band auf der Bühne steht.

Abi, ein Vollprofi durch und durch, zog vom ersten Ton an das Publikum in seinen Bann, spielte mit diesen und bezog sie mit ein. Sein Set war alles andere als gewöhnlich, selbst für die gestandenen Wallenstein Fans, wovon es nicht wenige gab. Einer von ihnen erzählte, dass er Abi bereits seit 1969 in rund 150 Konzerten gesehen hat, aber dieser hier gehört auf jeden Fall zu den besten. Neben den altbekannten Wallenstein Klassikern und Blues Standards, widmete er mit dem CCR-Song „Long As I Can See The Light“ der Ukraine seine Unterstützung im Krieg gegen Russland bei der Verteidigung ihres Landes. Das Publikum honorierte dies mit lang anhaltendem Beifall. Seine Version vom Prince-Hit „Kiss“ kam als typische Wallenstein Version daher und ging nahtlos über in den Rolling Stones Klassiker „Satisfaction“. Mit „Honky Tonk Women“ folgte gleich noch ein weiterer Stones Gassenhauer und auch das letzte, mit dem German Blues Award ausgezeichnete Studio-Album Spirit Of The Blues kam nicht zu kurz.

Abi Wallenstein hätte mit seinen beiden Begleitmusikern auch noch der Rest des Abends bestreiten können und so manch einer im dichten Getümmel vor der Bühne fragte sich schon, wie man das noch toppen soll.

Aber nach kurzer Umbaupause wurden diese Skeptiker eines Besseren belehrt, denn was die aktuellen Gewinner der European Blues Challenge 2022 Harlem Lake aus den Niederlanden auf der Bühne zelebrierten war schlichtweg unglaublich! Fünf junge Musiker im Alter zwischen 21 und 27 bewiesen eindrucksvoll, dass man sich um die Zukunft der Bluesmusik keine Sorgen machen muss.

Weder auf der Bühne noch vor der Bühne, denn dort tanzten auffallend viele junge Leute in der Menge. Während Benjamin Torbijn an den Drums und Kjelt Ostendorf am Bass eine mehr als solide Basis für den Klangteppich ausbreiteten, brillierten Dave Warmerdam an der Hammond-Orgel und vor allem Sonny Ray van den Berg an der Gitarre. Über allen stand die durchdringende Stimme von Janne Timmer, einer großartigen Sängerin mit einer tollen Bühnenpräsenz. Kein Wunder, dass das Quintett international hoch gehandelt wird. Im Mittelpunkt stand natürlich das neue Live Album Volition, welches erst an diesem Tag erschienen ist. Geprägt von eigenen Stücken und einigen Covern, wie zum Beispiel „The Letter“, berühmt vor allem in der Version von Joe Cocker oder dem weniger bekannten „Got To Get Better In A Little While“ von Eric Clapton, denen sie jedoch ihren eigenen Stempel aufdrückten. Egal was sie auch spielten, es war immer ihr eigener Sound. Mit der 10minütigen Eigenkomposition „I Won’t Complain“, die sehr ruhig beginnt, sich über den Gesang und die einzelnen Instrumente immer mehr aufbaut bis sie in einem einzigartigen Instrumental-Hurricane endet, gehen die fünf ins mächtige Finale.

Dabei beweisen alle Musiker, wie großartig sie ihre Instrumente beherrschen. Im Schlussdrittel des Stücks wechselt Dave Warmerdam von der Hammond an die zweite Lead-Gitarre, während Sängerin Janne Timmer nun die Tasten bedient und zeigt, dass sie auch dort mehr als begabt ist. Mit einem furiosen Schlagzeug Solo und einem die Massen begeisternden Wettstreit zweier toller Gitarristen geht der Auftritt unter tosenden Applaus zu Ende. Einmal mehr fragen sich die Besucher, was soll jetzt noch kommen, während sie nach draußen strömen, um frische Luft zu schnappen. Aber pünktlich zum Auftritt von Vanja Sky und ihrer Band ist der Saal wieder vollgepackt und die meisten von ihnen sichtlich froh, dass es in der Menge schnell kuschelig warm wird, tendierte die Temperatur draußen doch mittlerweile gegen den Gefrierpunkt.

Offensichtlich hatte sich auch der letzte Act des Festivals Gedanken gemacht, wie sie den Pegel hoch und die Massen halten können. So hatten sie sich für „Rock’n’Rolla Train“ zum Einstand entschieden, der auch der Opener ihres aktuellen Albums Woman Named Trouble ist. Eine sehr gute Wahl wie sich zeigte. Vom ersten Ton an hatte die junge Kroatin das Publikum auf ihrer Seite und im Griff. Die 4-köpfige Band hatte erkannt, dass sie mit zwölf Takt-Blues zu so später Stunde und nach zwei so großartigen Auftritten im Vorfeld, das Publikum kaum halten wird. Daher traten sie auf das Gaspedal und rockten das Haus.

Sängerin und Gitarristen Vanja Sky gab das Tempo vor und die Band folgte gehorsam wie professionell. Selbst als sie zur Akustikgitarre griff, ließ sie sich das Zepter nicht aus der Hand nehmen. Mit Michael Harder am Schlagzeug und Artjom Feldtser am Bass wusste sie eine absolut solide Rhythmusgruppe hinter sich, während Guenther Haas an der Lead-Gitarre messerscharfe Solis ablieferte. Vanja Sky überzeugte durchaus auch mit dem ein oder anderen Gitarren Solo, beschränkte sich jedoch in der Hauptsache auf den Gesang, die Rhythmusgitarre und den Dialog mit dem Publikum. Dies tat der Show gut und so blieb der Großteil der Gäste nicht nur bis zum letzten Ton, sondern belagerte auch noch knapp eine Stunde später den Merch-Stand und ließ sich CDs und T-Shirts signieren.

Als Fazit konnte man feststellen, dass sich der Großteil der Besucher, vor allem der Stammgäste, in einem einig waren: es war das vielleicht beste Blues Festival bisher, weil durchweg alle Musiker auf höchstem Niveau spielten und alle drei Bands den Headliner-Status erfüllten. Kein Act stand dem anderen nach, was mehr als ungewöhnlich ist für ein Festival egal welcher Größe.

Text und Foto: Dirk Stolzenberg

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